US-Ölpreise stürzen ins Bodenlose

22.04.2020

Eine brisante Entwicklung, die die USA in ernste Schwierigkeiten bringen könnte: inmitten der Coronavirus-Epidemie ist der Erdölpreis an der New Yorker Börse erstmals in seiner Geschichte ins Minus gerutscht. Der Preis der US-Referenzsorte WTI zur Lieferung im Mai durchbrach am Montag einen Negativrekord nach dem anderen und sank schließlich unter Null.

Der Preis für einen Kontrakt, der eine physische Öllieferung im Mai vorsieht, notierte erstmals seit Aufnahme des Future-Handels im Jahr 1983 im negativen Bereich. Hintergrund ist neben der Corona-Epidemie, die auch die US-Wirtschaft weitgehend heruntergefahren und die Nachfrage zum Erliegen gebracht hat, daß die Mai-Verträge nur noch bis Dienstag verkauft werden können. Aber die Erdöl-Lager sind nahezu voll. Damit gibt es praktisch keine Abnehmer mehr. Die Corona-Epidemie hat zu einem Erdöl-Überangebot wegen der weggebrochenen Nachfrage geführt.

Zwar hatten sich die wichtigsten Erdölförderländer einschließlich Rußlands und der USA erst vor zehn Tagen auf eine Senkung der Fördermenge geeinigt, um den Preis zu stabilisieren. Die Maßnahme blieb aber weitgehend wirkungslos.

Die Folgen sind dramatisch – der Preis für Rohöl aus den USA sackte am Montag um 37 Prozent nach unten. An der Börse in London kostete ein Barrel (das sind 159 Liter) der US-Referenzsorte WTI zur Lieferung im Mai am frühen Nachmittag nur noch 11,30 US-Dollar (umgerechnet 10,40 Euro) – das ist der niedrigste Stand seit 1998. Zum Vergleich: 2011 hatte der Ölpreis einen Höchststand von 114 Dollar pro Barrel erreicht.

Vor allem die milliardenschwere amerikanische Fracking-Industrie (die Gewinnung von Schieferöl durch das umweltschädliche und aufwendige Fracking-Verfahren) steht jetzt mit dem Rücken zur Wand. Die Förderung im Fracking-Verfahren kann nicht einfach gestoppt werden, doch jeder weitere Liter Fracking-Öl, der auf den Markt gepumpt wird, treibt die Ölpreise weiter nach unten. Da in der amerikanischen Fracking-Industrie erhebliche Investitions- und Kreditsummen gebunden sind, sehen Beobachter in der augenblicklichen Entwicklung eine Bombe für die US-Wirtschaft. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Krise hat sie das Potential, die strauchelnde Wirtschaftsmacht Nummer eins ernsthaft in Gefahr zu bringen.