EZB-Urteil: Die Nationalstaaten entscheiden

17.05.2020

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein hat das EZB-Urteil des Verfassungsgerichts verteidigt. Die Entscheidung der Karlsruher Richter „liegt voll auf den Linien des Maastricht-Urteils“, erklärte Klein der „Rheinischen Post“ gegenüber. Klein war 1993 als Richter am sogenannten Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts beteiligt, das als Grundlage für die aktuelle Entscheidung über das Anleihekaufprogramm der EZB diente. Damals hieß es, Karlsruhe werde EU-Rechtsakte nur dann beanstanden, wenn diese ihre Kompetenzen überschreiten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte letzte Woche die Anleihekäufe bemängelt und sich damit erstmals gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gestellt. Anders als der EuGH entschieden die Karlsruher Richter, die Beschlüsse der Notenbank seien kompetenzwidrig ergangen. Das EuGH-Urteil nannten sie „objektiv willkürlich“ und „methodisch nicht mehr vertretbar“. Der EuGH beharrte jedoch darauf, allein zuständig zu sein.

Das Urteil hatte erhebliche Diskussionen ausgelöst. Während Vertreter einer konservativen Finanzpolitik die Entscheidung loben, sehen andere das Urteil als Gefahr für die Europäische Union an. Der EU-Parlamentsabgeordnete Sven Giegold (Grüne) forderte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) sogar auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten.

Der Ex-Verfassungsrichter Klein hat dafür kein Verständnis. „Nicht nur der Europäische Gerichtshof, auch eine Reihe deutscher Politiker gibt sich der Illusion hin, daß die EU ist, was sie früher werden sollte: ein Staat“, verdeutlichte der Jurist. „Die EU ist aber kein Staat.“ Die Herren der Verträge seien weiterhin die Mitgliedstaaten. Die Kritik an dem Urteil läge an der „Lebenslüge der EU“.