Der Dritte Weltkrieg als Stellvertreterkrieg
Heute gibt es eine einzige große Kriegsfront, die sich vom Donbass aus in Richtung Tiflis erstreckt und weiter über Syrien bis in den Libanon reicht. Es handelt sich um einen einzigen Krieg, der aus einer Vielzahl von Stellvertreterkonflikten besteht. Die Geometrie variiert. Noch vor einigen Monaten schien auch Serbien mit dem Kosovo sowie Armenien an dieser Front beteiligt zu sein. Wir werden sehen, welche Überraschungen die Zukunft bereithält.
In keinem dieser Fälle handelt es sich um offiziell erklärte Kriege.
Das bevorzugte Format ist die Militarisierung eines internen politischen Konflikts durch Unterstützung und Finanzierung von außen (das Modell der "Farbrevolutionen", deren Mechanismen Laura Ruggeri ausführlich analysiert hat).
Im Fall der Ukraine hat dieser Mechanismus einfach eine Schwelle überschritten, die ihn zu einem klassischen Krieg hoher Intensität machte. Die Vorgeschichte von Maidan bis 2022 fällt jedoch in das Schema der durch äußere Einflüsse angeheizten und finanzierten "Farbrevolutionen".
Diese operative Methode hängt mit den spezifischen Merkmalen eines imperialen Systems zusammen, das mit Formen formaler Demokratie koexistiert.
Traditionellere Formen von Imperien, in denen die Machtkonzentration institutionell deutlicher ist, können Außenpolitik und externe Spannungen ebenso brutal, aber direkter und weniger heuchlerisch handhaben: Es werden Forderungen gestellt, ein wenig gedroht, ein wenig verhandelt, ein wenig Zugeständnisse gemacht, und manchmal werden die militärischen Drohungen in die Tat umgesetzt.
Im Kontext des amerikanischen Imperiums und seiner NATO-Satelliten muss der Imperialismus stets die öffentliche Meinung im eigenen Land berücksichtigen, die daher ständig manipuliert werden muss und der immer eine Erzählung präsentiert werden muss, in der "das Gute, das wir verkörpern, den Opfern zu Hilfe eilt".
Die narrative Strategie erfordert, dass die eigene Seite ständig als "Opfer, das sich gegen einen Angriff verteidigt", dargestellt wird, da nur eine Opferstrategie in einem liberalen Rahmen eine ausreichende Motivation bietet, Gewalt zu rechtfertigen. (In einem liberalen Rahmen gibt es keine objektiv geteilten Werte außer der negativen Freiheit, also dem Anspruch, nicht durch andere in seinen Handlungen behindert zu werden. Daher besteht der einzige Weg, gewaltsames Handeln zu rechtfertigen, darin, zu behaupten, es sei eine Reaktion auf die Verletzung der eigenen Sphäre durch andere.)
Um diesen narrativen Effekt zu erzielen, reicht es aus, eine gefällige Presse zu haben, die selektive Berichte und Erinnerungen produziert.
Wenn Israel Zehntausende Zivilisten in drei verschiedenen Ländern massakriert, reicht es aus zu sagen, dass alles am 7. Oktober 2023 beginnt: Davor nichts, danach die "legitime Reaktion" ohne räumliche oder zeitliche Begrenzung.
Wenn Russen und Ukrainer sich jahrelang gegenseitig abschlachten, reicht es aus, die Geschichte am 24. Februar 2022 zu beginnen: Davor nichts, danach legitime Selbstverteidigung und ein Krieg bis zum letzten Ukrainer.
In Georgien gewinnt eine nicht pro-westliche Partei die Wahlen mit 53% der Stimmen (die zweitplatzierte Partei kommt auf 11%), aber es reicht, (ohne einen Hauch von Beweis) zu behaupten, die Wahlen seien illegitim, sie nicht anzuerkennen und die extrem gewalttätigen Straßenproteste (die in Paris oder London gnadenlos niedergeprügelt würden) als legitimen Protest gegen die "pro-russische Unterdrückung" darzustellen. Selbst die Black Blocs werden zu Helden der Freiheit.
In Syrien begegnen wir dem Phänomen der "moderaten Terroristen" und erfahren, dass diejenigen, die einst als "Kopfabschneider von Al-Qaida" galten, eigentlich nette Jungs sind, die das Vertrauen und die Unterstützung Israels verdienen. Und die Nachrichten beginnen mit russischen Bomben auf syrische Städte (vergessen wird, dass es sich um Angriffe auf Invasionstruppen handelt, als Reaktion auf die Besetzung von Aleppo).
Wie bereits erwähnt, handelt es sich um einen einzigen Konflikt, der in verschiedenen Teilen der Welt aufflammt und von dem alles darauf hindeutet, dass er weiter eskalieren und sich ausbreiten wird.
Die Fronten sind intern stark fragmentiert: Nichts verbindet idealerweise die georgischen Demonstranten, die Terroristen von Hayat Tahrir al-Scham, die ukrainischen Nationalisten und die Likud-Partei, ebenso wie wenig die Alawiten in Syrien, den russischsprachigen Widerstand im Donbass, die Palästinenser in Gaza und die Partei "Georgischer Traum" eint.
Was diese verschiedenen Initiativen verbindet, ist die externe Unterstützung durch zwei gegensätzliche Makrogruppen: einerseits das amerikanische Imperium mit seinen NATO-Ablegern und andererseits die vielfältige BRICS-Front, die nur der Wunsch eint, unabhängig vom amerikanischen Imperium zu sein.
Der Ursprung dieser Konfrontation liegt im Versuch des amerikanischen Imperiums (historischer Erbe des britischen Imperiums), seine seit etwa 250 Jahren bestehende privilegierte Position zu bewahren. Es gibt keine Möglichkeit, dass dieser Versuch erfolgreich sein wird, da dieses historische Privileg mit einem außergewöhnlichen Ereignis verbunden war: dem ersten Zugang zur modernen Industrialisierung und der daraus resultierenden militärischen Überlegenheit. Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung in anderen Teilen der Welt ist eine einseitige Dominanz einer kleinen demografischen Minderheit über eine überwältigende Mehrheit nicht mehr denkbar. Aber dass es ein verzweifelter Versuch ist, ändert nichts daran, dass es die einzige Perspektive ist, die der Westen unter amerikanischer Führung heute zu sehen vermag. Und diese Blindheit wird die heutige Epoche prägen, während sie im Blut versinkt.
Übersetzung von Robert Steuckers