AfD bleibt auch beim MDR draußen

20.01.2016

Der AfD werden für die Wahl am 13. März in Sachsen-Anhalt 15 Prozent vorausgesagt. Bei der TV-Spitzenrunde im MDR bleibt die Partei dennoch außen vor. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) findet das falsch.

Trotz ihres voraussichtlichen Wahlerfolges wird die rechtspopulistische AfD bei der TV-Spitzenrunde zur Sachsen-Anhalt-Wahl im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) nicht vertreten sein. Zur Sendung "Fakt ist!" am 7. März im Fernsehprogramm des MDR würden nur die Spitzenkandidaten der aktuell im Landtag vertretenen Parteien - also von CDU, Linken, SPD und Grünen - eingeladen, bestätigte der Sprecher des Landesfunkhauses in Magdeburg, Thomas Ahrens.

Politischer Druck auf den Sender wurde vor der Wahl am 13. März nicht ausgeübt - anders als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo am selben Tag gewählt wird. Dort hatten die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) angedroht, an der Elefantenrunde im SWR-Fernsehen nicht teilzunehmen, sollte auch die AfD eingeladen werden. SWR-Intendant Peter Boudgoust hatte dazu erklärt: "Unser journalistisches Gesamtkonzept wurde verunmöglicht." 2011 hatte der SWR auch einen Vertreter der baden-württembergischen Linken eingeladen wurde, weil die Partei Aussichten hatte, ins Landesparlament einzuziehen.

Bei seiner Entscheidung, die AfD nicht zur TV-Elefantenrunde einzuladen, bezieht sich der MDR ebenfalls auf ein "Gesamtkonzept". Es ist bereits vor einem halben Jahr erarbeitet worden - bevor der Aufschwung der AfD in den Umfragen absehbar war. Zuletzt wurden der rechtspopulistischen Partei im Politbarometer Extra für Sachsen-Anhalt 15 Prozent vorausgesagt. Am 17. Februar soll es eine weitere Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des MDR geben.

"Es geht da nicht um Wünsche von Parteien", sagte MDR-Sprecher Ahrens dem Tagesspiegel. In der Berichterstattung zur Landtagswahlen im Fernsehen und Radio würden alle sich zur Wahl stellenden Parteien "nach dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit berücksichtigt". Dieses Konzept sei von den beteiligten MDR-Programmdirektionen gemeinsam erarbeitet und von der juristischen Direktion des MDR geprüft worden. Vor der vergangenen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2011 hatte die rechtsextremistische NPD versucht, sich in die TV-Elefantenrunde einzuklagen, unterlag damit aber vor Gericht.

CDU-Ministerpräsident Haseloff: Nicht Argument "Lückenpresse" bedienen
In den großen Parteien in Sachsen-Anhalt gibt es Zweifel, ob die Entscheidung des MDR richtig ist. Ministerpräsident Reiner Haseloff, Spitzenkandidat der CDU, sagte dem Tagesspiegel: "Ich hätte kein Problem damit, auch mit Vertretern der AfD zu diskutieren. Ein Teil der Bevölkerung hat die Absicht, diese Partei zu wählen. Damit muss man sich auseinandersetzen." Lasse man die AfD bei Diskussionsveranstaltungen außen vor, negiere man einen Teil der Bevölkerung - "und bedient das Argument, es gäbe eine ,Lückenpresse'". Der Regierungschef sagte weiter: "Wir haben die besseren Argumente. Im übrigen stehen hinter der AfD nicht nur Extremisten, sondern ehemalige Wähler aller Parteien. Manche Anhänger haben berechtigte Sorgen etwa in der Flüchtlingsfrage, wir müssen sie in der Wahlauseinandersetzung für unsere Politik gewinnen."

Der Oppositionsführer im Magdeburger Landtag, Linke-Fraktionschef Wulf Gallert, äußerte sich ähnlich. "Eine Art Boykottvariante" mache keinen Sinn, sagte er dem Tagesspiegel. Gallert, der Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl ist, bezeichnete die Frage, ob die AfD an Spitzenrunden im Fernsehen teilnehmen solle, gleichwohl als "ambivalent". Vorsichtig äußerte er: Es sei "wahrscheinlich überlegenswert", die Frage zu diskutieren, ob es nicht mehr bringe, diese Partei in Diskussionsrunden zu stellen. "Denn die große Erzählung der AfD ist es doch zu behaupten, dass man sich nicht mit ihren Argumenten auseinandersetzt." Gallert betonte allerdings: "Wir werden jetzt nicht dem MDR sagen: Du musst die AfD einladen."

Ein Sprecher der SPD in Sachsen-Anhalt sagte auf Anfrage, die Meinungsbildung in der Partei zur Frage, ob die AfD doch zur TV-Elefantenrunde eingeladen werden solle, sei noch nicht abgeschlossen. "Wir möchten das gern erst mit den anderen demokratischen Parteien besprechen, bevor wir uns festlegen."

AfD will auf Klage gegen MDR verzichten
Die AfD forderte den MDR um Umdenken auf. "Wenn die anderen Parteien schon Zweifel an der Entscheidung des Senders hegen, sollte der MDR seine Haltung überdenken", sagte AfD-Spitzenkandidat André Poggenburg "Zeit online". Der Sender informiere unvollständig und sollte "mindestens über die gewichtigen politischen Größen aufklären". Sonst entstehe Unausgewogenheit." Auf eine Klage gegen den MDR vor dem Verwaltungsgericht werde seine Partei aber verzichten, sagte er.

MDR: Umfragen nachrangiges Kriterium mit geringer Aussagekraft
Der MDR verteidigte seine Entscheidung gegen die Kritik. Die Pressestelle des Senders teilte auf Twitter mit, die Bedeutung der Parteien bemesse sich nach mehreren Kriterien. "Ergebnisse aus Vorwahlumfragen sind ein nachrangiges Kriterium mit geringer Aussagekraft." AfD und FDP würden die Gelegenheit zu Reaktionen auf die "Fakt ist!"-Sendung am 7. März erhalten. "Diese werden in die Nachberichterstattung zur Sendung eingehen."

AfD Baden-Württemberg: Sonderbares Verständnis von Meinungsfreiheit
Der Spitzenkandidat der AfD in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, dass seine Partei nicht an den großen TV-Duellen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz teilnehmen dürfe, offenbare ein sonderbares Verständnis von Meinungsfreiheit. Die AfD sei eine "politisch relevante Größe". Kein Verständnis zeigte Meuthen auch dafür, die umstrittenen Äußerungen des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu vermischen. Es seien "singuläre Äußerungen" von Höcke, erklärte Meuthen.

Malu Dreyer verteidigt Entscheidung gegen Talkrunde
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verteidigte laut dpa ihre Entscheidung, sich nicht mit der AfD an einen Tisch zu setzen. Sie könne nicht mit innerer Überzeugung eine solche Runde mitgestalten, und es sei ihr gutes Recht, selbst zu entscheiden, in welche Talkshow sie gehe, sagte Dreyer am Mittwoch. Sie diskutiere vor Ort auch mit AfD-Anhängern. Aber sie wolle der Partei nicht in einer Talkshow zur besten Sendezeit eine Plattform geben. "Viele Mitglieder der AfD sind nicht nur rechtspopulistisch, sie verkünden Botschaften, die rassistisch und rechtsextremistisch sind."

Thüringer Verfassungsschutz gegen Überwachung der AfD
Anfang des Monats hatte die SPD-Bundestagsfraktion in einem Thesenpapier verlangt, der Verfassungsschutz solle den "rechten Rand" der AfD wegen seiner extremistischen Ausrichtung den Blick nehmen. Die Abgeordneten Eva Högl und Burkhard Lischka als Autoren sahen sich "in hohe Alarmbereitschaft versetzt", da die AfD erstarke und sich "weitere Bündnisse aus Rechtspopulisten und Rechtsextremisten" formierten, "die mit menschenverachtenden Parolen gegen Migranten, Asylsuchende und Muslime hetzen".

Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, sieht indes derzeit keine Veranlassung für eine Überwachung der AfD. In Bezug auf die Gesamtpartei lägen seiner Behörde "derzeit keine für eine nachrichtendienstliche Beobachtung ausreichenden Anhaltspunkte" vor, sagte Kramer dem "Handelsblatt". "Die Partei ist meiner Ansicht nach aktuell kein Fall für den Verfassungsschutz, sondern für die zivilgesellschaftliche und politische Diskussion und Auseinandersetzung."

Die AfD in Sachsen-Anhalt fällt - ähnlich wie der von Björn Höcke geführte Landesverband in Thüringen - regelmäßig auf mit besonders rechten Äußerungen. Ihren Weihnachtsgruß 2015 hatte sie auf ihrer Facebook-Seite mit dem Appell kombiniert, sich Gedanken zu machen "über gemeinsame Werte, Verantwortung für die Volksgemeinschaft". Auf einen kritischen Hinweis eines Facebook-Nutzers antwortete AfD-Landeschef Poggenburg: Heute sollten "einige völlig unproblematische und sogar äußerst positive Begriffe nicht benutzt werden". Das lasse man sich nicht gefallen. Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn von der Universität Göttingen erläuterte dazu dem Internetportal der Tagesschau, historisch sei der Begriff der Volksgemeinschaft "eindeutig durch den Nationalsozialismus belegt".