Ungarns Botschafter kritisiert deutsches Staatsfernsehen
Mit dem Zweiten sieht man nicht zwangsläufig gut. Dieser Auffassung ist der ungarische Botschafter in Deutschland, Péter Györkös, der die jetzt vom „Zweiten“ ausgestrahlte Dokumentation „Stunden der Entscheidung: Angela Merkel und die Flüchtlinge“ wegen fehlender Objektivität und Parteilichkeit deutlich kritisiert.
Schon einen Tag nach der Ausstrahlung wandte sich der Botschafter mit einem kritischen Brief an Thomas Bellut, Intendant, und Peter Frey, Chefredakteur des ZDF. Er beklagt darin, daß es in dem Film derart viele Elemente gebe, „die Objektivität und Tatsachen missen haben lassen“. Zudem habe es eine Reihe von Anspielungen auf Ungarn und seinen „mehrfach demokratisch gewählten Ministerpräsidenten“ gegeben, so daß sich der Botschafter „gezwungen“ sehe, darauf zu reagieren.
„Was die die ethischen und moralischen Normen verletzenden Passagen und Andeutungen angeht, kann ich nur hoffen, daß die Autoren und Macher sie mit ihrem Gewissen vereinbaren können“, so Györkös. Vor allem aber wendet er sich in aller Deutlichkeit gegen die in dem Streifen immer wiederkehrende Behauptung, die Migrantenkrise habe am Budapester Ostbahnhof begonnen und sei „die Quelle aller Probleme“. Diese Aussage laufe der „schlichten geografischen Realität, den Bestimmungen des internationalen und europäischen Rechts und den Ereignissen vom Sommer und Herbst 2015“ komplett entgegen.
Vor allem aber: „Nicht unerwähnt lassen sollten wir auch den Tweet des BAMF vom 25. August über die Aussetzung der Anwendung der Dublin-Verordnungen, der der Zuwanderung durchaus eine neue Dynamik verlieh“, unterstreicht Györkös.
Im übrigen habe Ungarn 2015 mit „großen materiellen, politischen und moralischen Risiken“ die europäischen Regelungen durchgesetzt und dafür „täglich unbegründete Kritik und moralische Belehrungen“ einstecken müssen. Heute, vier Jahre später, normalisiere sich die Situation im Land langsam, aber „die realitätsfremde und von Fall zu Fall an Ehrverletzung grenzende Propaganda hört nicht auf“.
Györkös merkt in seinem Brief an das ZDF auch an, daß er die Ereignisse 1989 und 2015 aus unmittelbarer Nähe mitverfolgt habe. „Den ersten Stein aus der Mauer, die das eigene Volk eingeschlossen hielt, haben die Ungarn herausgeschlagen“, betont er. Sein Land habe sich auch 2015 für die Einhaltung und Durchsetzung europäischen Rechts eingesetzt und versucht, die Lebensform und das Wirtschaftsmodell des durch Schengen geschützten Binnenmarktes zu schützen, und die illegale Einwanderung über die grüne Grenze gestoppt.
Im übrigen brauche es eine Basis von „Respekt dem Gegenüber und für die Tatsachen“, um Situationen wie die des Jahres 2015 klären zu können. „Der von Ihnen gezeigte Film tut keinem dieser Kriterien Genüge“, schreibt Györkös den ZDF-Oberen.