Robert Kennedy: Harte Abrechnung mit unmoralischer US-Politik in Syrien

23.03.2016

Robert Kennedy jr. hat in einem bemerkenswerten Essay dargelegt, welch unselige Rolle die USA in Syrien und im Nahen Osten bisher gespielt hätten: Die USA hätten im Kampf ums Öl ihre Werte schamlos verraten und mehrfach Regierungen gestürzt. Die Folge: Der Hass der Araber auf den Westen, weil ihnen das Recht auf Selbstbestimmung verwehrt wurde.

Unter dem Titel „Warum uns die Araber nicht in Syrien haben wollen“ hat der Sohn von Robert Kennedy in "Politico" einen äußerst lesenswerten Essay geschrieben. Darin erklärt Kennedy im Detail, wie die US-Regierungen und Geheimdienste in vielen Ländern Staatsstreiche verübt und „islamistische Revolutionen“ angezettelt haben, um sich des Zugriffs auf das Eröl zu versichern. Ganz bewusst hätten die Amerikaner die religiöse Komponente in die Konflikte getragen.

Er schreibt:

„Während der 1950er Jahre wiesen Präsident Eisenhower und die Dulles Brüder – CIA-Chef Allen Dulles und Staatssekretär John Foster Dulles – sowjetische Vertragsvorschläge zurück, den Nahen Osten im Kalten Krieg als neutrale Zone zu belassen und Araber die arabische Welt regieren zu lassen. Statt dessen lancierten sie einen heimlichen Krieg gegen arabischen Nationalismus – welchen Allen Dulles mit dem Kommunismus gleichsetzte – vor allem, weil eine arabische Selbstverwaltung ein Entgegenkommen beim Öl gefährdete. Sie schleusten geheime amerikanische Militärunterstützung zu Tyrannen in Saudi Arabien, Jordanien, dem Irak und in den Libanon, bevorzugt Marionetten mit konservativen dschihadistischen Ideologien, welche sie als wirksames Gegenmittel für den sowjetischen Marxismus betrachteten. Bei einem Treffen des Weißen Hauses zwischen dem Planungschef der CIA, Frank Wisner, und John Foster Dulles im September 1957, riet Eisenhower der Agentur laut eines Memos, welches durch seinen Stabssekretär General Andrew J. Goodpaster aufgezeichnet wurde: „Wir sollten alles Mögliche tun, um den „Heiligen Krieg“-Aspekt zu betonen.“

Genau nach dieser Methode seien die Amerikaner auch in Syrien vorgegangen. Die Erklärung des Syrien-Krieges findet sich, wenn man etwas weiter in der Geschichte zurückblickt:

Die CIA begann ihre aktiven Einmischungen in Syrien im Jahr 1949 – gerade ein Jahr nach der Gründung der Agentur. Syrische Patrioten hatten den Nazis den Kampf erklärt, ihre Vichy-französischen Kolonialherren verstoßen und eine fragile säkulare Demokratie nach dem amerikanischen Model aufgebaut. Doch im März 1949 zögerte Syriens demokratisch gewählter Präsident Shukri-al-Quawatli, die Transarabische Pipeline – ein amerikanisches Projekt, das die Ölfelder Saudi Arabiens über Syrien mit dem Hafen vom Libanon verbinden sollte  –  zu bewilligen. In seinem Buch "CIA – Die ganze Geschichte" (i. O. Legacy of Ashes) erzählt CIA-Historiker Tim Weiner, wie die CIA in Vergeltung für Al-Qawatlis fehlenden Enthusiasmus bezüglich der der US-Pipeline einen Coup arrangierte, der Al-Quawatli durch einen vom CIA handverlesenen Diktator ersetzte – einen überführten Schwindler, namens Husni al-Za’im. Al-Za’im hatte kaum Zeit, das Parlament aufzulösen und die amerikanische Pipeline zu bewilligen, bevor seine Landsleute sich seiner nach viereinhalb Monaten entledigten.

Nach mehreren Konterrevolutionen im destabilisierten Syrien versuchten sich die Syrer 1955 erneut an einer Demokratie, wählten wieder al-Quawatli und seine Nationalistische Partei. Al-Quawatli war noch immer ein Neutralist des Kalten Krieges, jedoch, betrogen durch die amerikanische Beteiligung an seiner Amtsenthebung, neigte er sich nun eher dem sowjetischen Lager zu. Diese Haltung ließ CIA-Chef Dulles verkünden, dass „Syrien reif ist für einen Coup“, und seine Coup-Zauberer Kim Roosevelt und Rocky Stone nach Damaskus zu senden.

Kennedy sieht in dem Verhalten der US-Regierung und der Geheimdienste den Grund, warum die Araber den Amerikanern so feindselig gegenüberstehen.

Kennedys zieht ein ernüchterndes Fazit über die geopolitische Position der USA im Nahen Osten. Die Machenschaften der Dienste und die Abkehr von den amerikanischen Werten hätten die Rolle der Weltmacht im Nahen Osten schwer beschädigt – und sie vom möglichen Partner zum Feind gemacht:

Sie (die Araber, Anm. d. Red.) hassen nicht „unsere Freiheiten“. Sie hassen, dass wir unsere Ideale in ihren eigenen Ländern betrogen haben – für Öl.

Teils, weil mein Vater von einem Araber ermordet wurde, habe ich mich bemüht, die Auswirkungen der US-Politik in Nahost zu verstehen, insbesondere die Faktoren, die manchmal blutdurstige Reaktionen der islamischen Welt gegen unser Land antreiben.

Während wir uns auf den Aufstieg des Islamischen Staates konzentrieren und nach der Quelle der Grausamkeit suchen, die so viele unschuldige Leben in Paris und San Bernardino kostete, sollten wir vielleicht über die bequeme Erklärung durch Religion und Ideologie hinausschauen. Statt dessen sollten wir die komplexeren Begründungen durch Geschichte und Öl untersuchen – und erkennen, dass wir den anklagenden Finger oft auf uns selbst richten müssten.

Amerikas unrühmliche Vergangenheit von gewalttätigen Eingriffen in Syrien – von der nur wenige Amerikaner, jedoch viele Syrer wissen – hat einen fruchtbaren Nährboden für den islamistischen Dschihadismus hinterlassen, der nun jede wirkungsvolle Reaktion unserer Regierung auf die Herausforderung, die ISIL darstellt, verkompliziert.

Um diese Dynamik zu verstehen, muss man die Geschichte aus Syriens Perspektive betrachten und insbesondere die Saat des aktuellen Konflikts. Lange vor unserer Besetzung des Iraks in 2003, die den sunnitischen Aufstand auslöste, der sich nun in den Islamischen Staat umgewandelt hat, nährte die CIA den gewalttätigen Dschihadismus als eine Waffe des Kalten Krieges und belud die amerikanisch-syrischen Beziehungen mit giftigem Ballast.

Das geschah nicht ohne Kontroversen zu Hause. Im Juli 1957, nach einem gescheiterten CIA-Coup in Syrien, verärgerte mein Onkel Sen. John F. Kennedy, Eisenhowers Weißes Haus, die Führer beider politischer Parteien und unsere europäischen Verbündeten mit einer Meilenstein-Rede, die das Recht zur Selbstregierung in Arabischen Welt befürwortete und auch ein Ende der imperialistischen Einmischungen Amerikas in den Arabischen Ländern.

Während meines gesamten Lebens und insbesondere während meiner regelmäßigen Reisen in den Nahen Osten haben sich viele Araber dieser Rede wohlwollend erinnert, als das klarste Statement des Idealismus, den sie von den USA erwarteten.

Kennedys Rede war ein Appell, um Amerika an die hohen Werte zu erinnern, die unser Land in der Atlantik-Charta verfochten hatte; die formale Zusicherung, dass alle ehemaligen europäischen Kolonien nach dem zweiten Weltkrieg das Recht zur Selbstbestimmung haben würden. Roosevelt hatte Winston Churchill und die anderen Anführer der Alliierten unter Druck gesetzt, die Atlantik-Charta zu unterschreiben, als Voraussetzung der US-Unterstützung im europäischen Krieg gegen den Faschismus.

Doch dank Allen Dulles und der CIA, deren außenpolitische Intrigen oft direkt mit der verkündeten Politik unserer Nation haderten, wurde der Weg, der durch die Atlantik-Charta skizziert wurde, nicht befolgt. In 1957 saß mein Großvater, Botschafter Joseph P. Kennedy, in einem geheimen Komitee, das damit beauftragt wurde, den klandestinen Mißstand der CIA im Nahen Osten zu untersuchen. Der sogenannte „Bruce-Lovett-Bericht“, den er mitunterzeichnete, beschrieb CIA-Komplotte in Jordanien, Syrien, dem Iran und Ägypten, welche auf arabischen Straßen hinlänglich bekannt waren, jedoch nahezu ungehört von der amerikanischen Öffentlichkeit, die die Leugnung der Regierung für bare Münze nahmen.

Der Bericht machte die CIA für den grassierenden Anti-Amerikanismus verantwortlich, der zu dieser Zeit mysteriöser Weise „in den vielen Ländern der Welt heute“ Wurzeln schlug.

Der „Bruce-Lovett-Bericht“ zeigte auf, dass derlei Einmischungen im Gegensatz zu amerikanischen Werten standen und Amerikas internationale Führung und moralische Autorität ohne das Wissen des amerikanischen Volkes kompromittiert hatten.

Der Berichte sagte außerdem aus, dass die CIA nie durchdacht hatte, wie wir solche Einmischungen handhaben würden, wenn eine fremde Regierung sie in unserem Land dirigieren würde.

Das ist die blutige Geschichte, die moderne Befürworter wie George W. Bush, Ted Cruz und Marc Rubio übersehen, wenn sie ihre narzisstischen Redewendungen rezitieren, dass nahöstliche Nationalisten „uns für unsere Freiheiten hassen“. Zum größten Teil tun sie das nämlich nicht. Stattdessen hassen sie uns für die Art und Weise, in der wir diese Freiheiten innerhalb ihrer Grenzen verraten haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten (22.3.2016)