Raisi führte den Vorstoß für die “neue Weltordnung” von Russland, dem Iran und China an

23.05.2024
Die nach Osten gerichtete strategische Vision des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi war von großer Bedeutung bei der strategischen Verknüpfung von Moskau-Teheran-Peking und dem Freimachen eines Weges hin zur Institutionalisierung der Multipolarität.

Last uns inmitten all der Trauer und des Kummers über den Verlust des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi einen Moment innehalten, um den steinigen Weg hervorzuheben, den er half auf dem Marsch zu einer neuen globalen Ordnung hin zu ebnen.

In den beinahe drei Jahren seit denen Raisi zum iranischen Präsidenten aufgestiegen war, wurden die eurasische Integration und der Marsch zur Multipolarität im Wesentlichen von drei Hauptakteuren vorangetrieben: Russland, China und dem Iran.

Dies sind nicht zufällig auch die drei großen “existenziellen Bedrohungen” für die Hegemonialmacht.

Am vergangenen Sonntag um 22:00 Uhr lud der russische Präsident Wladimir Putin den iranischen Botschafter in Moskau, Kazem Jalali, zu einem improvisierten Treffen mit den Besten der Besten aus dem russischen Verteidigungsministerium ein.

Diese Einladung reichte weit über die kurzsichtigen Vermutungen der Medien hinweg, ob der ungelegene Tod des iranischen Präsidenten sich wegen eines „Unfalls“ oder einem Sabotageakt ereignete. Sie resultierte aus den Mühen der rastlosen Arbeit Raisis den Iran als nach Osten orientiertes Land zu positionieren, indem er kühn an strategischen Bündnissen mit den Großmächten Asiens schmiedete, wobei er gleichzeitig die Beziehungen Teherans zu alten Feinden in der Region auftauen ließ.

Zunehmende eurasische Integration

Zurück zur Besprechung Sonntagnacht in Moskau. Alle waren dort – vom Verteidigungsminister Andrei Belousov und Sekretär des Sicherheitsrates Sergei Shoigu bis hin zum Chef des Generalstabs Valery Gerasimov, Katastrophenminister Aleksandr Kurenkov und dem besonderen Assistenten des Präsidenten Igor Levitin.

Die Schlüsselbotschaft bestand darin, dass Moskau Teheran den Rücken stärkt. Und Russland unterstützt vollumfänglich die Stabilität und Kontinuität der iranischen Regierung, die bereits gänzlich von der iranischen Verfassung und ihren detaillierten Plänen für eine friedliche Machtübergabe, sogar unter ungewöhnlichen Umständen, garantiert wird.

Da wir uns auf dem Großteil der Welt bereits tief im Hybridkriegsmodus befinden – am Rande eines heißen Krieges – bauen die drei Zivilisationsstaaten, es könnte kaum offensichtlicher sein, an einem neuen System der internationalen Beziehungen.

Russland - der Iran – China (RIC) sind bereits miteinander im Rahmen von bilateralen, umfassenden strategischen Partnerschaften miteinander verbunden. Sie sind sowohl Mitglieder der BRICS-Staaten als auch der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und ihr gemeinsamer modus operandi wurde zur Gänze unter den Augen der weltweiten Mehrheit der Weltbevölkerung auf Putins wichtigen Gipfel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping letzte Woche in Peking präsentiert.

Kurz gesagt, keine der drei asiatischen Mächte wird er zulassen, dass einer ihrer Partner von den üblichen Verdächtigen destabilisiert werden wird.

Ein kometenhafter Aufstieg

Der späte Präsident Raisi und sein Spitzendiplomat, Außenminister Hossein Amir-Abollahian, lassen ein bedeutendes Erbe zurück.

Unter seiner Führung wurde der Iran ein Mitglied der BRICS-Staaten, ein Vollmitglied der SCO und einer der größten Aktionäre der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU). Dabei handelt es sich um die drei wichtigsten Organisationen, die den Weg zur Multipolarität bereiten.

Die neuen diplomatischen Initiativen des Irans erreichten wichtige arabische und afrikanische Akteure, von Saudi-Arabien, über Kuweit und Ägypten bis hin zu Libyen, den Sudan und Dschibuti. Teheran führte zum ersten Mal in seiner Geschichte eine ausgeklügelte, großräumige Militäroperation gegen Israel durch und feuerte dabei eine große Salve an Drohnen und Raketen vom iranischen Territorium ab.

Die iranisch-russischen Beziehungen haben die nächste Ebene in der Handels- und militärisch-politischen Zusammenarbeit erreicht. Vor zwei Jahren hatten sich Putin und Raisi auf eine umfassende bilaterale Strategie geeinigt. Der Entwurf dieses Schlüsseldokuments ist nun bereit und wird von Irans nächstem Präsidenten unterzeichnet werden, was die Partnerschaft nur weiter vertiefen wird.

Wie mir ein Mitglied der iranischen Delegation letztes Jahr in Moskau berichtete, antworteten sie auf die Frage der Russen um was es gehen würde “Alles kann diskutiert werden”. Und die Russen antworteten genauso.

Dementsprechend werden alle Deklinationen von Raisis strategischer Verschiebung mit “Blick nach Osten” in Verbindung mit Russland vorhergehenden “Schwerpunkt in Asien” von Moskau und Teheran angesprochen werden.

Der Außenministerrat der SCO trifft sich diesen Dienstag und Mittwoch in Astana und bereitet sich auf den Gipfel im Juli vor, auf dem Weißrussland ein Vollmitglied werden wird. Von entscheidender Bedeutung ist, dass auch das Kabinett von Saudi-Arabien die Entscheidung zum Beitritt Riads bewilligt hat, der wahrscheinlich nächstes Jahr stattfinden wird.

Die Kontinuität in der Regierung des Irans wird in Astana vollumfänglich durch den Interimsaußenminister Ali Bagheri Kani repräsentiert werden, der die Nummer Zwei von Amir-Abollahian war. Er ist dazu verpflichtet sofort gemeinsam mit den russischen Außenminister Sergei Lavrov und seinem chinesischen Gegenstück Wang Yi in den Kampf zu ziehen, um den vielschichtigen multipolaren Weg zu diskutieren.

Eine gemeinsame Hyperschallerklärung

Die übergreifende Charter davon was dieses neue System beinhalten soll wurde letzte Woche auf dem Meilensteingipfel zwischen Putin und Xi im Rahmen einer atemberaubenden, 10 Kapitel umfassenden gemeinsamen Erklärung, die mehr als 12.000 Worte lang und in der das Wort „Zusammenarbeit“ nicht weniger als 130 Mal aufschien, offenbart.

Dieses Dokument kann korrekt als gemeinsames Hyperschallmanifest interpretiert werden, dass umfassend Washingtons künstliche „regel-basierte internationale Ordnung“ in die Luft jagt.

Dieser Abschnitt sticht dabei besonders hervor:

Alle Länder haben das Recht dazu unabhängig ihr Entwicklungsmodell und politische, wirtschaftliche und soziale Systeme basierend auf den nationalen Bedingungen und dem Willen des Volkes auszuwählen, sich Einmischungen in die inneren Angelegenheiten von souveränen Staaten zu widersetzen, sich unilateralen Sanktionen und einer „Langarmgerichtsbarkeit“ zu widersetzen ohne internationale rechtliche Grundlage oder Autorisierung des UN-Sicherheitsrats und sich dem Ziehen ideologischer Linien zu widersetzen. Beide Seiten zeigten auf, dass Neo-Kolonialismus und Hegemonialstreben komplett dem Zeitgeist entgegenlaufen und riefen zu einem Dialog auf Augenhöhe auf, der Entwicklung von Partnerschaften und der Bewerbung des Austauschs und des gegenseitigen Lernens unter den Zivilisationen.

Der Iran, der vier Jahrzehnte lang zu Tode sanktioniert wurde, lernt nun direkt von Chinas und Russlands Anstrengungen wie man ”Entkoppelungs”-Narrative zerstört wie auch den Effekt eines Tsunamis von westlichen Sanktionen gegen Russland zu Nichte macht.  

Eine Reihe von chinesisch-europäischen Zugkorridoren wird hauptsächlich genützt, um chinesische Güter nach Zentralasien zu verschiffen und sie abermals nach Russland zu exportieren.

Jedoch nehmen angesichts des Handelsbooms auch die logistischen Flaschenhälse zu. Buchstäblich jeder europäische Hafen weigert sich Schiffsladungen aus oder nach Russland abzuwickeln. Und Russlands größte Häfen haben weiterhin Probleme: Wladiwostok hat nicht die Kapazität für große Frachtschiffe, wohingegen St. Petersburg sehr weit entfernt von China ist.

Dementsprechend legt Kapitel 3 der gemeinsamen Erklärung von Russland und China großes Augenmerk auf die “Hafen und Transportkooperation, die Entwicklung von zusätzlichen Logistikrouten miteingeschlossen”, und die Vertiefung der finanziellen Kooperation “die Erhöhung des Anteils von lokalen Währungen in den Finanzdienstleistungen” mit eingeschlossen sowie die Zunahme der industriellen Zusammenarbeit „strategische Bereiche wie die Herstellung von Autos und Booten, Metallverhüttung und Chemikalien miteingeschlossen.“

All das lässt sich auch auf die Kooperation zwischen Russland und dem Iran anwenden, insbesondere was die Straffung des Internationalen Nord-Süd Transportkorridors (INSTC) angeht, insbesondere von Astrachan im Kaspischen Meer zu den iranischen Häfen und dann über Straßen hinunter in den Persischen Golf.

Der iranische Außenminister Bagheri Kani hatte zuvor angemerkt, dass dank der “außergewöhnlichen Lage” des Irans die sich über Westasien, den Persischen Golf, die Region des Kaspischen Meeres und Eurasien erstreckt, der Iran dazu in der Lage ist zum „Wirtschaftswachstum und ökonomischen Potenzial“ aller Regionalmächte beizutragen.

Putins Besuch in China letzte Woche schloss einen Besuch im nordwestlichen Machtzentrum Harbin mit ein – das über starke geographische und historische Bande zu Russland verfügt. Eine gigantische China-Russland Ausstellung zog mehr als 5.000 Handelsfirmen an. Es ist nicht weit hergeholt sich eine ähnlich erfolgreiche russisch-iranische Messe an einem kaspischen Hafen vorzustellen.

Ein prometheisches Vorhaben

Was Russland, China und den Iran miteinander verbindet ist zuallererst ein Rahmen, der von souveränen Zivilisationsstaaten gestaltet wird. Das schicksalhafte Ableben des Präsidenten-Märtyrer Raisi wird das Gesamtbild nicht im Geringsten verändern.

Wir befinden uns inmitten eines langen Prozesses gegen eine Umwelt die jahrzehntelang durch Schmerzen und Furcht konditioniert wurde. Dieser Prozess hat in den letzten Jahren immense Zugkraft entwickelt, angefangen mit dem Start der Neuen Seidenstraße im Jahr 2013.

Die Neue Seidenstraße und die Gürtel- und Straßenínitiative (Belt and Road Initiative BRI) sind ein prometheisches Projekt, das genauso geopolitisch wie geoökonomisch ist. Parallel dazu ereignete sich die schrittweise Erweiterung der Rolle der SCO als ein wirtschaftlicher Kooperationsmechanismus. Abermals ist der Iran ein Spitzenmitglied der BRI, SCO und BRICS-Staaten.

Nachdem Maidanputsch in der Ukraine 2014, begann die russisch-chinesische Partnerschaft wirklich an Fahrt aufzunehmen. Kurz darauf konnten wir sehen, wie der Iran praktisch seine gesamte Ölproduktion an China verkaufte und so unter den Schutz des nuklearen Schutzschirmes von China kam.

Dann erlebten wir wie das Empire in Afghanistan erniedrigt wurde. Und die Besondere Militäroperation (SMO) in der Ukraine im Februar 2022. Und die Erweiterung der BRICS in die ehemals westlichen Gebiete des Globalen Südens.  

Während seines bemerkenswerten Besuchs im Frühling 2023 in Moskau erzählte Xi Putin, dass “Veränderungen, die es in den letzten 100 Jahren nicht gegeben hat” stattfinden würden und dass sie beide an der Spitze dieser unausweichlichen Veränderungen stehen sollten.

Genau das war die Krux bei den Diskussionen letzte Woche in Peking.

Die iranische Bombardierung des stark bewachten israelischen Territoriums mit Präzisionswaffen – als eine Antwort auf den Terroranschlag auf sein diplomatisches Konsulat durch ein Drittland – sandte eine kristallklare, das Spiel ändernde Botschaft, die von der globalen Mehrheit klar verstanden wurde: Die Macht des Hegemon in Westasien geht zu Ende.

Die Peripherie zu verlieren stellt das Anathema für die perfektionierte amerikanische Geopolitik dar. Sie muss wieder zurück unter ihre Kontrolle kommen, da sie um ihre Wichtigkeit weiß.

Eine neue Richtung

Der Engel der Geschichte weist uns jedoch in eine neue Richtung – nach China, Russland und in den Iran als natürliche Souveräne, die den Wiederaufstieg des Herzlands prägen.

Kurz und klar, diese drei Souveräne verfügen auf der epistemologischen Ebene über den Willen, die Kreativität, die organisatorischen Fähigkeiten, die Vision und die Werkzeuge der Macht, um ein wahrhaft prometheisches Projekt zu verwirklichen.

Es mag sich wie ein Wunder anhören, aber die gegenwärtige Führung der drei Staaten teilt dieses gemeinsame Verständnis und Unterfangen.

Was könnte zum Beispiel verlockender sein als die Möglichkeit den ehemaligen Atomverhandler Saeed Jalili als nächsten Präsident des Irans, unterstützt vom neuen Außenminister Ali Bagheri Kann zu sehen? In der Vergangenheit galt Jalili zu sehr als “Hardliner” für den westlichen Gaumen, aber der Westen hat kaum noch eine Bedeutung in diesen Gefilden.

Nach Raisis Ostorientierung und Multipolarität als Kehrtwende weg vom ehemaligen iranischen “reformistischen” Präsidenten Hassan Rouhani und seinem fehlgeleiteten, gescheiterten Vorstoß nach Westen, könnte sich Jalili als Eintrittskarte in die nächste Phase des Irans erweisen. Und ja, was für eine verwegene Ergänzung wäre er zum Duo Xi-Putin!

Quelle

Von Pepe Escobar

Übersetzung von Alexander Markovics