Lockruf der „Vielfalt“
Wer braucht schon Richard Coudenhove-Kalergi oder Thomas Barnett, wenn er Wolfgang Schäuble und Frans Timmermans hat? Diese Frage drängt sich auf, wenn man sich vor Augen hält, wie sich so manch führender Politiker die Zukunft unseres Kontinents vorstellt. Der Bundesfinanzminister ist ein aktuelles Beispiel für den Typus des beinharten Einwanderungslobbyisten. Anfang Juni versuchte er im Interview mit der linksliberalen Zeit, uns den Massenzustrom von Fremden als Lebenselixier zu verkaufen. Der 73jährige wörtlich: „Die Abschottung ist doch das, was uns kaputtmachen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe. Für uns sind Muslime in Deutschland eine Bereicherung unserer Offenheit und unserer Vielfalt.“
So denkt also jemand, der sich gern als überzeugter „Europäer“ inszeniert, über unseren Kontinent. Einen Kontinent mit über 500 Millionen Menschen allein in den EU-Mitgliedsstaaten, mit Dutzenden von Völkern, Hunderten von Stämmen sieht Wolfgang Schäuble inzuchtgefährdet? Fast noch erstaunlicher als diese Worte ist der Umstand, daß die Mainstream-Medien sie dokumentieren, ohne dem Urheber zu empfehlen, dringend einen Arzt aufzusuchen. Europa ist schließlich kein isoliertes Dorf im Hochgebirge. Es ist durchaus ohne fremde Blutzufuhr lebensfähig, und wenn Europa in Gefahr ist zu degenerieren, dann gewiß nicht, weil es zuwenig Einwanderung zuläßt. Als Beispiel für innovatives Potential führt Schäuble ausgerechnet die dritte Generation der Türken an. Kennt er die Bildungs- und Migrationsberichte seiner Kabinettskollegen nicht?
Positiv an Schäubles Worten ist lediglich eines: Künftig bedarf es keiner fragwürdigen „Zitate“ von Paneuropa-Vordenkern oder „Cheftheoretikern der Globalisierung“ mehr, um zu zeigen, welcher Ungeist und welche Verblendung die Hirne der Überfremdungs-Enthusiasten beherrscht. Thomas Barnett und Richard Coudenhove-Kalergi haben ausgedient. Heute gibt es Politiker mit Einfluß, die ihr Ziel, die traditionellen europäischen Identitäten auszulöschen, ebenso offen wie offensiv vertreten. Zuweilen versuchen sie, ihre Absichten hinter wohlklingendem Vokabular zu verbergen, doch davon lassen sich nur noch wenige täuschen. Einer der besonders gern verwendeten Begriffe, mit denen die Realität vernebelt werden soll, lautet „Vielfalt“ (englisch: „Diversity“).
„Vielfalt ist das Schicksal der Menschheit. Es wird selbst an den entlegensten Orten dieses Planeten künftig keine Nation mehr geben, die nicht von Vielfalt geprägt sein wird.“ Dies verkündete Frans Timmermans [Bild], der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, am 1. Oktober 2015 in Brüssel in seiner Eröffnungsrede des „EU-Grundrechte-Kolloquiums“ vor etwa 300 Teilnehmern. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurde diese Rede – oder besser: ein Teil davon – auch im deutschsprachigen Raum vermehrt bekannt. Thema der Veranstaltung war die angebliche Zunahme von Antisemitismus und Islamophobie vor dem Hintergrund der Einwanderungswelle. Diese Entwicklung und ihre Folgen sind gemeint, wenn Timmermans von „Vielfalt“ spricht.
Dabei entpuppt sich der Niederländer als cleverer Propagandist, indem er Wanderungsbewegungen als quasi „natürliche“, unabwendbare Entwicklung darstellt. Genau das stimmt aber eben nicht. Denn erstens hat Migration überwiegend eine Richtung: von weniger entwickelten in besser entwickelte Regionen, also nach Europa, Nordamerika, Australien. Die Hauptursache dieser Migration sind auch nicht Kriege, Unruhen, Verfolgung oder Katastrophen, sondern die simple Tatsache, daß in den Herkunftsländern der Migranten die wirtschaftliche Entwicklung nicht mit dem Bevölkerungszuwachs Schritt hält. Daher sucht die Jugend dieser Länder eine Perspektive in der Auswanderung, zusätzlich wird sie durch Gerüchte und falsche Anreize noch „angelockt“.
Aus diesem Grund wird es „Vielfalt“ eben nicht in jeder Ecke unseres Planeten geben. Es werden keine zig Millionen Chinesen nach Afrika strömen, und Indien oder Pakistan werden nie 20 Prozent Bevölkerungsanteil mit europäischem Migrationshintergrund haben. Frans Timmermans übt sich im Werfen von Nebelkerzen. Wenn er von „Diversity“ spricht, und das tut er in einem einzigen Absatz gleich siebenmal, dann meint er in Wirklichkeit das Gegenteil: die Einebnung von Vielfalt durch Vermischung. Wenn man nicht mehr weiß, ob man in New York, Paris, Berlin oder Moskau ist, weil man überall vor einem McDonald’s oder Starbucks steht und die Straßen überall von der gleichen „eurasisch-negroiden Zukunftsrasse“ bevölkert sind, um mal mit Herrn Coudenhove-Kalergi zu sprechen – wo ist denn da die „Vielfalt“?
Jene Politiker, die ihren Wählern von einer Gesellschaft erzählen, die sich ausschließlich aus Menschen einer einzigen Kultur zusammensetzt, würden sich auf eine Vergangenheit beziehen, die so niemals existiert habe, behauptet der Sozialdemokrat weiter. Hat Timmermans im Unterricht geschlafen, als das Thema „Evolution“ auf dem Lehrplan stand? Wie sollen wohl die Unterschiede, wie sollen Stämme und Völker entstanden sein, wenn nicht in Phasen der „Isolation“? Gewiß hat es in den vergangenen Jahrtausenden immer auch Wanderungen gegeben, auch nach Europa, durch Europa und von Europa weg. Nur welcher Art waren diese Wanderungen? Sind Hunnen und Mongolen, Sarazenen und Osmanen nach Europa gekommen, um uns zu helfen, den Mangel an „Vielfalt“ zu kompensieren?
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Wer den „großen Austausch“ für Panikmache von Vielfalt-Verächtern hält, dem sei empfohlen, für Städte wie Pforzheim, Würzburg oder Frankfurt am Main die jeweiligen Anteile der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund in der Altersklasse 0 bis 12 zu studieren. Zu Deutschland gehören diese und viele andere Städte und Regionen in absehbarer Zeit nur noch auf dem Papier, und mit der von Schäuble und Timmermans beschworenen „Vielfalt“ ist es dann auch bald Essig. In einer Emnid-Umfrage vom Juni stimmten 47 Prozent der befragten muslimischen Türken in Deutschland dem Satz zu: „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als die Gesetze des Staates, in dem ich lebe.“ Wieviel „Diversity“ diese Herrschaften wohl zulassen werden, wenn sie erst in der Mehrheit sind?
Was uns in Europa blüht, wenn diese Entwicklung einfach so weitergeht, sollte für jeden, der nicht völlig blind durch die Geschichte stolpert, offensichtlich sein. Für Timmermans und seine Kumpane sind jedoch die warnenden Stimmen die eigentliche Bedrohung, daher geraten diese immer mal wieder ins Visier der EU-Kommissare. In einem langen Interview mit dem Deutschlandfunk warnte der Niederländer im Mai: „Wenn es uns nicht gelingt, Europa wieder in die Herzen der Leute zu bekommen, dann wird dieses Europa scheitern.“ Gemeint ist natürlich nicht Europa, sondern die EU. Und die sei bedroht durch „Populismus“ – eine Feindbezeichnung für all jene, die ihre Heimat nicht durch Massen von Fremden okkupieren lassen wollen.
Dieser Populismus werde, wenn er wachse, Europa zerstören, so Timmermans in totaler Verdrehung der Tatsachen. Dies kann nur jemand behaupten, der seine Mitmenschen glauben lassen will, eine „unsichtbare Hand“ greife in das Räderwerk der Geschichte ein. Doch was Europa derzeit widerfährt, ist das Resultat verheerender Politik. Davon will Timmermans ablenken. Eine EU, die, statt ihre Außengrenzen zu schützen, sich Gedanken um eine optimale Verteilung der fremden Massen macht, zerstört Europa. Eine EU, die Rettungsaktionen im Mittelmeer durchführt und die Geretteten nicht etwa dorthin zurückschafft, wo sie aufgebrochen sind, sondern ihnen die Tore unseres Kontinents öffnet, zerstört dieses Europa. Alle Versuche von Schäuble, Timmermans und anderen, den giftigen Cocktail durch bunte Papierschirmchen appetitlich erscheinen zu lassen, ändern daran nichts.
Dorian Rehwaldt, zuerst.de (8.8.2016)