Israels Kriegsziele Großisrael: Vom Nil bis an den Euphrat
Ein Genozid, um Platz für israelische Siedler zu machen: Israels Regierung lässt mit Smotrich die Maske fallen
Juni 2024: Zahlreiche Drohnen und Ballons gehen über dem Südlibanon nieder. Sie stellen den Einwohnern des Landes Räumungsbescheide zu. Auf diese zynische Weise will die Bewegung „Weckt den Norden auf!“ von Uri Tzafon den Anspruch Tel Avivs auf den Libanon unterstreichen. Seitdem Israel am 01.10. dieses Jahres damit begonnen hat, wurden diese zynischen Gebietsforderungen schließlich zu einer realen Bedrohung, die durch die jüngsten Entwicklungen intensiviert wurde.
„Israels Grenzen müssen bis nach Damaskus ausgedehnt werden!“ – diese Worte des israelischen Finanzministers Belazel Smotrich von der nationalreligiösen Mafdalpartei, welche er ihm Rahmen der Dokumentation „Israel: Ministers of Chaos“ vor kurzem im Interview für den Fernsehsender Arte geäußert hat, haben für große Aufregung auf dem internationalen Parkett gesorgt. Dies geschah nicht nur, weil sie die Mär vom Staat Israel der „nur zur Selbstverteidigung Krieg führt“ widerlegt haben, sondern auch weil sie die genozidalen Kriegsziele des israelischen Staates offenbart haben. Betrachtet man vor diesem Hintergrund Israels Völkermordpläne- und Praxis, erfolgen diese offensichtlich, um Platz für israelische Siedler zu machen und nicht, um die Sicherheit von Israels Bürgern zu gewährleisten. Doch welche Ziele verfolgt die Großisraelideologie und inwiefern liegt sie in der DNA des Zionismus?
Von Theodor Herzl bis Benjamin Netanyahu: Diskussionen um Großisrael
Auftrieb erhielten die Diskussionen um Großisrael mit einem Artikel in der Jerusalem Post, der kurz nach seiner Veröffentlichung am 25.09.2024 aus dem Internet verschwand und nur noch mittels Seiten wie archive.org. abrufbar ist. In „Is Lebanon part of Israel’s promised territory?“ wurde dem Leser suggeriert, dass der Libanon ein rechtmäßiger Teil Israels ist, da dieser in der Torah ein Teil des Abraham versprochenen Landes ist. Mag es in deutschen Ohren bizarr klingen, so gehört diese Idee auf Seiten der seit den 1980er Jahren regierenden radikalen Rechten Israels zum guten Ton. So existiert innerhalb der israelischen Siedlerbewegung, die von europäischen Rechtspopulisten wie FPÖ und AfD hofiert wird, auch eine Strömung für die Besiedelung des Libanons, die nach dem Angriff auf den Südlibanon eine Karte veröffentlichte, in der sie das Gebiet südlich des Litani für Israel beansprucht und alle Namen von Dörfern und Städten durch hebräische austauschte. Die Absicht Israels ist klar: Auch den Libanon will es Stück für Stück erobern und ethnisch säubern. Diese sind, genauso wie Minister Belazel Smotrich, Koalitionspartner des in der Tradition des zionistischen Revisionismus stehenden Benjamin Netanyahu und vertreten einen messianischen Zionismus. Dieser fordert im Rahmen der Großisraelidee die Grenzen Israels vom Nil bis zum Euphrat, also nicht „nur“ die Palästinensergebiete und den Libanon, sondern auch weite Teile Ägyptens und Saudi-Arabiens, sondern auch Syrien und den Irak. Dabei sind diese in Europa kaum bekannten Ziele der zionistischen Bewegung seit ihren ersten Tagen ein fester Teil von ihr. So forderte auch der Gründer der zionistischen Bewegung Theodor Herzl auf Seite 711 der englischen Fassung seines Tagebuchs Israel von Ägypten bis zum Euphrat und erklärt den genozidalen Plan dieses Land von einem mehrheitlich arabisch besiedelten in ein mehrheitlich jüdisches Land zu verwandeln. Bei der Pariser Friedenskonferenz 1919 wurde dieser Plan erstmals von David Ben Gurion präsentiert und die ehemals unter osmanischer Herrschaft stehende Levante, das Herz von 3000 Jahren arabischer Zivilisation, beansprucht. Stattdessen entwarfen die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich den Sykes-Pikot-Plan, der die Levante künstlich aufspaltete, um „Minderheiten zu schützen“ und so die Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten, Arabern und Kurden sowie Christen maximal zu erhöhen.
Die Eiserne Mauer: Großisrael in der Praxis
In weiterer Folge war es die Bewegung des zionistischen Revisionismus um den Mussolinibewunderer Ze’ev Jabotinsky, welche die Idee von Großisrael vorantrieb und dadurch auf einem Kongress 1931 für die Spaltung der zionistischen Bewegung sorgte. In seiner 1923 erschienen Abhandlung Die Eiserne Mauer forderte er die rücksichtslose Besiedelung Palästinas durch die zionistische Bewegung und die Beseitigung der „arabischen Barbaren“, die er im Vergleich zu den „zivilisatorisch höherstehenden Juden“ als minderwertig betrachtete. Jabotinsky gilt als geistiger Vordenker Netanyahus und der gegenwärtigen Siedlerbewegung. Mit seiner Unabhängigkeitserklärung 1948 setzte Israel die Idee der „Eisernen Mauer“ in die Praxis um und Vertrieb Millionen Palästinenser in die Nachbarländer, um einen Staat mit jüdischer Mehrheit durchzusetzen. Auch im Sechs-Tage-Krieg 1967 stilisierte sich Tel Aviv als Opfer der Araber, um seine Nachbarn zu überfallen und ganz Palästina, sowie die Sinai-Halbinsel und die syrischen Golanhöhen zu erobern. Nach dem Krieg erzählte der hochrangige israelische General Mattityahu Peled der Zeitung Haaretz, dass es sich dabei nur um einen Bluff gehandelt habe, um den Krieg vor der Öffentlichkeit zu legitimieren. Die Sinaihalbinsel musste Israel wieder zurückgeben, die Golanhöhen hält es jedoch bis heute besetzt. 1982 kam es mit der Invasion des Libanons zu einer Wende in der israelischen Expansionspolitik, zum ersten Mal versuchte es Land außerhalb Palästinas zu erobern. Israel nützte im Laufe des Krieges christliche Sekten, um die Palästinenser im Süden des Libanon zu bekämpfen, was zum Massaker libanesischer Falangisten unter israelischer Aufsicht an 3000 Palästinensern innerhalb von einenhalb Tagen in Sabrah und Shatilah führte – dem ersten Völkermord Israels im Libanon. Einer der Mitverantwortlichen an dem Massaker, der Panzergeneral und Likudpolitiker Ariel Sharon, verfasste das Strategiepapier mit dem Titel „Die Strategie für Israel in den 1980er Jahren“ in dem er erklärte, das Israel analog zu den europäischen Kolonialmächten sektiererische Spannungen in den arabischen Ländern so wie im Libanon ausnützen soll, um die Araber gegeneinander aufzuhetzen. Darin wird die muslimische Welt als „von Fremden errichtetes Kartenhaus“ bezeichnet und an der „Ostfront“ die Zerstückelung von Syrien und dem Irak als Hauptziel israelischer Außenpolitik vorgegeben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Israel und seine westlichen Verbündeten auch die Terrormiliz des Islamischen Staats (IS) unterstützten, um Damaskus und Bagdad zu destabilisieren. Auch die USA nützten und nützen bis heute den Gegensatz zwischen Arabern und Kurden im Syrien und dem Irak, um die eigene Besatzung zu rechtfertigen und abzusichern. Das Bild vom „ewigen Konflikt“ in den arabischen Staaten ist somit als zynische Herrschaftsstrategie zu erkennen, mit der israelische Völkermord- und US-amerikanische Weltherrschaftspolitik argumentiert werden.
Großisrael 2024: Vertreibungen in Gaza, Einmarsch im Libanon
Gaza soll von Palästinensern gesäubert werden und Israel das Land mit Juden besiedeln – diese Worte des israelischen Ministers für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir zeigen, was die wahren Kriegsziele Israels im Kampf um Palästina sind. Darin lässt sich ebenso wie an der „kollektiven Bestrafung“ der libanesischen Zivilbevölkerung, die auch in Krankenhäusern von der IDF bombardiert wird, sowie wie in israelischen Angriffen auf die Palästinenser im Westjordanland erkennen, dass die Großisraelidee nicht nur in den Köpfen der israelischen Regierung herumgeistert, sondern auch in der militärischen Praxis mit Leben erfüllt wird. Das diese Politik früher oder später massive Flüchtlingsströme – in Gaza wurden 1 Million Menschen, im Libanon bisher 1,2 Millionen Menschen vertrieben - verursachen wird, ist offensichtlich und könnte sich noch zu einem großen Problem für Deutschland Europa entwickeln. Das das seine Gegner als Terroristen bezeichnende Israel selbst zum Terrorismus greift, wurde spätestens mit der Explosion tausender von Israels Geheimdienst Mossad mit Sprengstoff präparierten Pagern im Libanon offensichtlich, die zwischen 2000 und 3000 Menschen das Leben kosteten. Alle bisherigen Aufrufe der UN an Israel seinen Völkermord im Namen Großisraels zu stoppen, blieben unerhört, folglich wird auch ein Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen der zurzeit diskutiert wird, sich nur als kosmetische Maßnahme im Kampf gegen den Völkermord erweisen. Was können also Europas Patrioten tun, um Großisrael zu verhindern? Ein Ende der Waffenlieferungen und wirtschaftliche Sanktionen wären ein wichtiger Schritt, um dem Wahnsinn im Nahen Osten Einhalt zu gebieten und Netanyahus Expansionismus, der auf Waffenlieferungen angewiesen ist, zu stoppen.