Deutschlands Power-Linke: Sahra Wagenknecht räumt mit ihren Thesen ab!
Mit ihrem dieser Tage erscheinenden neuen Buch unter dem Titel „Die Selbstgerechten“ hat die langjährige LINKEN-Bundestagsabgeordnete und Lebensgefährtin von Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, eine Bombe gezündet. Das Buch, das eigentlich erst nach dem am Sonntag stattfindenden Aufstellungsparteitag des NRW-Landesverbandes für die Bundestagswahl hätte in die Läden kommen sollen, wird in den eigenen Reihen weithin als Kampfansage betrachtet – was Wagenknecht selbst mit Nachdruck bestreitet.
Die Autorin des 345 Seiten starken Buches, die schon in der Vergangenheit immer wieder gegen linke Tabus verstoßen hat, nimmt auch jetzt kein Blatt vor den Mund und kritisiert etwa den Kult um immer abseitigere Minderheiten von den Fridays for Future bis hin zur „Black Lives Matter“-Bewegung – Wagenknecht sieht darin Auswüchse einer degenerierten „Lifestyle-Linken“, die den Bezug zu den wahren gesellschaftlichen Problemen verloren habe. Mit großer Eloquenz und Sachkenntnis geißelt sie den „Spuk um Diversity und Frauenquoten“ – so müsse jede Partei, jede Zeitungsredaktion und jede Rundfunkanstalt mittlerweile peinlich darauf achten, daß ihr Personal in exponierten Positionen nicht ausschließlich Müller, Maier oder Schuster heiße, sondern ein hinreichender Anteil ausländischer Namen für Weltoffenheit und Multikulturalität bürge. „Wer das nicht beachtet, gilt als muffig und reaktionär.“
Andererseits bricht Wagenknecht bemerkenswerterweise eine Lanze für die „großen Anti-Corona-Demonstrationen“, bei denen Linke verschiedenster Couleur bislang „nur ‚Verschwörungstheoretiker‘ und ‚Nazis‘ auf den Straßen“ sahen, „obwohl jeder, der Bilder dieser Kundgebungen unvoreingenommen betrachtet hat, die große Zahl relativ unpolitischer, aber eben unzufriedener Normalbürger kaum übersehen konnte“.
Zentrale These des Buches bleibt aber der Vorwurf an die eigene Partei („Die Selbstgerechten“), daß diese die Probleme der arbeitenden und einkommensschwächeren Bevölkerung weithin aus dem Blick verloren habe: „Vor allem Arbeiter und Geringverdiener haben keine politische Vertretung mehr, seit die linken Parteien die Seiten gewechselt haben.“
Schlimmer noch (aus linker Sicht): während sie mit den eigenen Genossen heftig ins Gericht geht, bekundet Wagenknecht Verständnis ausgerechnet für die nationalkonservative polnische Regierungspartei PiS – diese stehe „für eine couragierte Sozialpolitik, wie man sie sich von allen sozialdemokratischen und linken Parteien in Westeuropa wünschen würde“. Es könne nicht angehen, daß die bundesdeutsche „Lifestyle-Linke“ kräftig daran mitwirke, „nationale Identitäten und die Sehnsucht nach Stabilität, Vertrautheit und Zusammenhalt moralisch zu diskreditieren“. Die „traditionellen Gemeinschaftswerte“ gelte es vielmehr zu schätzen.
In der eigenen Partei ist der Unmut über Wagenknecht, die einmal mehr Mut zu selbständigem Denken bewiesen hat, nun groß. Bundesvorstandsmitglied Thies Gleiss mutmaßte der „taz“ gegenüber sogar, das Buch sei eine „Abschiedserklärung“ und „eine einzige Liebeserklärung an die rechten Kräfte im Land“. Die umstrittene Frontfrau wolle vermutlich „noch einmal in den Bundestag gewählt werden, um dann mit ihren Getreuen etwas Neues aufzubauen“, mutmaßt er.
Tatsache ist vorerst nur, daß Wagenknecht die erste Hürde bravourös genommen hat: auf dem Aufstellungsparteitag der NRW-Linken in Essen wurde sie – trotz heftigen Gegenwinds und zwei Gegenkandidatinnen – souverän mit 61 Prozent erneut auf Platz eins gewählt.