Brückeneinsturz in Baltimore: Die Infrastrukturkrise in den USA
Eine Infrastrukturkatastrophe nationalen Ausmaßes
Im US-Bundesstaat Maryland ereignet sich am 26.03.2024 eine Katastrophe: Eigentlich sollte der Frachter Dali unter der Flagg Singapurs vom Hafen in Baltimore in See stechen. Doch stattdessen kollidiert er mit einem Brückenpfeiler der 2,5 Kilometer langen, vierspurigen Francis-Scott-Key Autobahnbrücke im Hafen, als ihm plötzlich der Strom ausging. Neben sechs Toten führt der Unfall zur Schließung des Hauptkanals eines der größten Häfen an der Ostküste der USA, der vor allem für den Import und Export von Autos in und aus den Vereinigten Staaten, beispielsweise durch General Motors und Honda, bis voraussichtlich Ende Mai und damit zu einem großen wirtschaftlichen Schaden. Gleichzeitig wirft der Unfall aber auch die Frage auf, was bei der maritimen Infrastruktur der größten Seemacht der Welt im Argen liegt.
800 Milliarden für die Flotte, aber nur 14 Milliarden für die Sicherung von Häfen und Wasserwegen
Während das Budget des US-Verteidigungsministeriums für die amerikanische Flotte bei astronomischen 800 Milliarden US Dollar im Jahr 2024 liegt, entfallen auf das US-Meeres-Transportsystem (MTS), das für die Sicherung der Häfen und Wasserwege verantwortlich ist, gerade einmal 14 Milliarden US Dollar. Dabei ist das MTS für 361 Handelshäfen und mehr als 20.000 Brücken verantwortlich. Wirtschaftlich sind mehr als 23 Millionen Arbeitsplätze in den USA und 90% aller Importe und Exporte von diesem System abhängig.
Häfen und Wasserwege: die Achillesferse der Vereinigten Staaten von Amerika
Die krasse Bevorzugung des Militärs vor der zivilen Sicherheit der Wasserwege zeigt nicht nur die massive Militarisierung der US-Gesellschaft auf, sondern auch eine offensichtliche wirtschaftliche- wie sicherheitspolitische Achillesferse des amerikanischen Staates. Zwar sind die USA die mit Abstand größte Seemacht der Welt, theoretisch würden aber ein paar eingestürzte Brücken reichen, um die Wirtschaft der Supermacht im wahrsten Sinne des Wortes zum Erliegen zu bringen.
Ein wirtschaftlicher Schaden für die Bidenregierung
Während die US-Regierung ob der wirtschaftlichen Dimension des Schadens abzuwiegeln versuchte, prognostizierte die Firma The Dun & Bradstreet Corporation alleine wegen der Unterbrechung der Nachschubketten durch die Schließung von großen Teilen des Hafens wöchentliche Kosten von 1,7 Milliarden US Dollar.
Die US-Army greift ein und braucht länger als erwartet
Zur Beseitigung der 3000 - 4000 Tonnen Schutt im Hafen wurde auch das US-Pionierkorps herangezogen, doch aufgrund des Wetters und der extremen Komplexität der Säuberungsaktion musste das angepeilte Ende der Operation am 10.Mai aufgegeben werden – mittlerweile sprechen US-Behörden von einem Abschluss der Operation am Ende des Monats.
Unfall oder Terroranschlag?
Nicht umsonst hat das FBI kurz nach Bekanntwerden des Vorfalls Ermittlungen eingeleitet. Dabei geht es nicht nur um die Schuldfrage bei der Besatzung (und die Frage nach der Versicherungssumme), sondern auch um den Verdacht, dass es sich hierbei um einen Terroranschlag handeln könne. Bis Redaktionsschluss waren die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Als besonders schädlich für die weltweiten Nachschubketten wird die sechswöchige Schließung der Hafenanlagen deswegen gewertet, weil sie sich zur selben Zeit ereignete wie der kriegsbedingt unterbrochene Handel im Roten Meer – die Deutsche Stimme berichtete – und die durch ungünstiges Wetter unterbrochenen Operationen im Panamakanal.
Das Unglück in Baltimore – nur der Gipfel des Eisbergs?
Der Zusammenbruch der Brücke ist aber nur der Gipfel des Eisbergs, was die Vernachlässigung der Infrastruktur in den USA anbelangt. Laut einer Analyse des Wall Street Journals befinden sich acht große Brücken in den Vereinigten Staaten in einem ähnlich verwundbaren Zustand wie die Francis-Scott-Key-Bridge in Baltimore, darunter die berühmte Golden-Gate-Bridge in San Francisco.
Der Niedergang der US-Schiffsfahrt beschäftigt Amerika
In den USA selbst entflammte im Zuge der Diskussion um die Ereignisse in Baltimore auch die Debatte um den Zustand der zivilen Handelsschifffahrt des Landes aufs Neue: so merkte der amerikanische Konteradmiral James Watson an, dass die Kapazität der amerikanischen Wasserwege und Schifffahrt nicht ausreichend ist, um zukünftigen Herausforderungen wie der Konkurrenz durch China standzuhalten. Fuhren kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch mehr als die Hälfte aller Handelsschiffe unter amerikanischer Flagge, sind es heute nur noch mehr 0,4%. China hingegen hat Japan überholt und ist gemessen am Flottenwert zur weltweit größten Schiffseignernation aufgestiegen. Militärisch mögen die USA auf den Weltmeeren unangefochten sein, doch im Bereich des Handels haben sie den Kampf um die Weltmeere bereits verloren.
Ein Rat für die USA: Schiffe für den Frieden bauen, nicht für den Krieg!
Blickt man also auf den besorgniserregenden Zustand der US-Handelsschifffahrt und des Meeres-und-Transportsystems so kann man den USA nur einen Rat geben: Hört auf den Weltpolizisten auf allen Weltmeeren zu spielen, investiert in die Sicherheit eurer Häfen und baut stattdessen Handelsschiffe für den Frieden! Macht Amerika wieder groß, konzentriert euch auf eure eigenen Probleme und lasst den Rest der Welt in Ruhe!